Wie lese und verstehe ich ein Gesetz?

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Eigentlich sollten Gesetze für alle verständlich geschrieben sein. Die Realität sieht aber anders aus. Gesetzestexte sind oft schwierig formuliert. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen kann es daran liegen, dass ein Gesetzestext schon viele Jahre alt ist. Der ausschlaggebende Grund ist aber, dass Gesetzestexte für eine Vielzahl verschiedener Fälle gelten müssen und daher oft sehr abstrakt formuliert sind. Dadurch sind sie schwieriger zu lesen – und zu verstehen. Wie ein Gesetzestext aufgebaut ist und wie Du ihn richtig lesen kannst, erfährst Du in diesem Beitrag.

Die Wenn-Dann-Struktur

Im Jurastudium reicht es nicht aus, einfach zu wissen, wo einzelne Anspruchsgrundlagen, Tatbestände oder Klagearten zu finden sind. Du musst die einzelnen Rechtsnormen, aus denen sich beispielsweise eine Anspruchsgrundlage oder eine Straftat ergeben soll, auch richtig lesen und anwenden können. Dafür unterteilst Du die Rechtsnorm am besten in einzelne Sinnabschnitte. Du unterteilst sie dabei in den sogenannten Tatbestand und eine Rechtsfolge. Was damit gemeint ist, ist im Grunde nichts anderes als eine “Wenn - Dann” - Struktur. Der Tatbestand bildet den “Wenn - Teil” und die Rechtsfolge den “Dann - Teil”. Der Tatbestand setzt sich in der Regel aus mehreren Tatbestandsmerkmalen zusammen. Ein solches Tatbestandsmerkmal ist zum Beispiel die Eigenschaft einer Sache – die Sache kann “fremd” sein oder sie kann im “Eigentum” eines anderen stehen. Wenn die erforderlichen Tatsachen vorliegen, dann ist das entsprechende Tatbestandsmerkmal erfüllt. Wenn alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, dann tritt die Rechtsfolge ein.

Vereinfacht gesagt: Wenn – Dann = Voraussetzung – Konsequenz = Tatbestand – Rechtsfolge.

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Nehmen wir hierzu ein Beispiel aus dem Strafrecht (die Körperverletzung gemäß § 223 I StGB) und schauen uns stark vereinfacht den Tatbestand und die Rechtsfolge an:

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

  • Tatbestand: “Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt”
  • Rechtsfolge: “wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft”

Die Tatbestandsmerkmale sind hier “körperlich misshandelt” und “an der Gesundheit schädigt”. Wann liegt eine körperliche Misshandlung vor? Wann liegt eine Gesundheitsschädigung vor? Erst wenn Du diese Fragen geklärt hast, kannst Du beurteilen, ob die Rechtsfolge eintritt.

Dafür musst Du den Tatbestand aber noch weiter unterteilen. Und zwar in den sogenannten objektiven Tatbestand und den subjektiven Tatbestand. Der objektive Tatbestand betrifft die äußerlich wahrnehmbaren Merkmale, also zum Beispiel den Täterkreis, die Tatsituation, das Tatobjekt, die Tathandlung und sonstige Tatmodalitäten. Der subjektive Tatbestand betrifft alle Merkmale, die sich im Bewusstsein des Täters abspielen und seine innere Haltung wiedergeben.

Dies wird an einem weiteren (stark vereinfachten) Beispiel deutlich: § 242 StGB – Diebstahl.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

  • Tatbestand: “Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen”
  • Rechtsfolge: “wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”

Den Tatbestand unterteilen wir nun in einen objektiven Tatbestand und einen subjektiven Tatbestand. Objektiv kann hier nur der Teil sein: “eine fremde bewegliche Sache ... wegnimmt”.

Stell Dir folgende Situation vor: Du sitzt in einem Restaurant und wartest schon seit einer Stunde auf Dein Essen. In dieser Zeit beobachtest Du aus Langeweile die Menschen um Dich herum. Du siehst, wie ein Mann in das Restaurant kommt und seine knallrote Jacke an die Garderobe hängt. Zwei Minuten später beobachtest Du, wie eine Frau, die zuvor an der Bar saß, ebenfalls zur Garderobe geht und mit genau dieser Jacke das Restaurant verlässt. Objektiv sah es für Dich jetzt so aus, als hätte die Frau eine fremde Jacke mitgenommen. Du weißt aber nicht, warum sie die Jacke mitgenommen hat.

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An dieser Stelle kommt der subjektive Tatbestand hinzu: “in der Absicht … sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen”. Warum die Frau die Jacke mitgenommen hat, kannst Du objektiv nicht beurteilen. Vielleicht hat sie die Jacke mit der Jacke ihres Mannes verwechselt - tatsächlich hing an der Garderobe nämlich eine ähnliche rote Jacke. Vielleicht kennen sich die beiden und sie hat die Jacke mit seinem Einverständnis mitgenommen. Vielleicht wollte sie die Jacke tatsächlich mitnehmen, weil sie erkannt hat, dass es sich um ein teures Markenprodukt handelt. Was die Frau sich vorstellt und was ihre Motive sind, können wir äußerlich also nicht sehen – sie stecken im subjektiven Tatbestand.

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