Klausurbearbeitung II - Die Lösungsskizze

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Sind Sachverhalt und Aufgabenstellung sorgfältig erfasst, bedarf es vor der endgültigen Ausformulierung der Lösung noch eines wesentlichen Zwischenschritts – der Erstellung der Lösungsskizze. Du solltest den Fall einmal skizzenhaft vollständig lösen, bevor Du mit der Reinschrift beginnst. Von dieser Regel solltest Du Dich auch nicht durch den üblichen Zeitdruck in Klausuren abbringen lassen. Wenn Du mit der Reinschrift vorzeitig beginnst, bevor Du Dir über die Lösung des Falles sicher bist, birgt dies erhebliche Risiken.

Größtes Risiko: Die falsche Schwerpunktsetzung

Du läufst nämlich Gefahr, Fehler in der eigenen Lösung erst zu entdecken, nachdem Du bereits einen großen Teil der Reinschrift verfasst und viel Zeit vergeudet hast. Und Zeit ist – gerade in der Klausursituation – ein wertvolles Gut!

Eine sinnvolle Schwerpunktsetzung wird Dir ebenfalls nicht gelingen, wenn Du noch nicht alle Probleme des Falles erkannt und gelöst hast. Die richtige Schwerpunktsetzung ist eines der schwierigsten Probleme der Falllösung. Sie entscheidet nicht nur darüber, ob eine Arbeit überdurchschnittlich ist, sondern auch darüber, ob Du mit der Bearbeitungszeit auskommst. Das Zeitmanagement ist ein wesentlicher Faktor für das Gelingen einer guten Klausur. Nur Problematisches ist in der Falllösung ausführlich abzuhandeln. Leichtes oder Selbstverständliches muss nicht ausgedehnt, sondern sollte kurz und knapp dargestellt werden. Erfahrungsgemäß neigen vielen Jurastudent:innen dazu, Unproblematisches künstlich aufzublähen, wenn sie die Probleme eines Falles noch nicht vor Augen haben oder nicht wissen, an welcher Stelle sie “aus dem Vollen schöpfen” und Schwerpunkte setzen können. Dieses künstliche Aufblähen dient dann eher lediglich dazu, Seiten zu füllen und das trügerische Gefühl zu hinterlassen, “etwas geschafft zu haben”.

Das aber rächt sich in doppelter Hinsicht: Zum einen gibt es für ausschweifende Ausführungen zu unproblematischen Aspekten keine Punkte und zum anderen fehlt an den wirklich wichtigen Stellen der Klausur dann später die Zeit, die „Big Points“ einzusammeln.

Du solltest also im Idealfall gleich zu Beginn der Reinschrift, genau wissen, was Du in welcher Reihenfolge und mit welcher Schwerpunktsetzung zu Papier bringen möchtest. Das bedeutet aber nicht, dass Du die Klausur quasi zweimal schreiben sollst. Die Reinschrift ist keine bloße Schönschrift. Und die Lösungsskizze sollte umgekehrt auch keine fertigen Ausformulierungen enthalten. Sinnvoll ist die Erstellung einer knappen und stichwortartigen Lösungsskizze. Sie sollte durchnummeriert sein und alle für die spätere Reinschrift erforderlichen Gliederungspunkte enthalten. Zudem sollten die Problemschwerpunkte gekennzeichnet sein, damit Du ihnen bei der späteren Ausformulierung besonderes Gewicht verleihen kannst. Die Lösungsskizze soll Dich in die Lage versetzen, bei der Reinschrift Punkt für Punkt durchgehen und abhaken bzw. durchstreichen zu können. Auch bei der Erstellung der Lösungsskizze gilt es im Übrigen die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets, in dem der Sachverhalt verortet ist, zu beachten:

In zivilrechtlichen Klausuren sind in aller Regel mehrere Anspruchsgrundlagen zu prüfen. Nachdem der Sachverhalt in Zwei-Personen-Verhältnisse unterteilt und nach Anspruchszielen gegliedert worden ist, musst Du innerhalb des jeweiligen Anspruchsziels eine bestimmte Prüfungsreihenfolge einhalten.

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Wie sieht es im Öffentlichen Recht aus?

Auch in öffentlich-rechtlichen Klausuren kann nach Ansprüchen gefragt sein. Weitaus häufiger besteht die Aufgabe allerdings darin, vorangegangenes, den Bürger belastendes staatliches Handeln auf seine Rechtmäßigkeit hin zu untersuchen. Es kommt dann regelmäßig darauf an, die einschlägige Ermächtigungsgrundlage zu ermitteln, bei Bedarf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht festzustellen und das Vorliegen ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen zu überprüfen.

Was ist im Strafrecht zu beachten?

Sehr speziell ist die Situation in strafrechtlichen Klausuren. Hier wird in relativ kurzer Zeit sehr viel Wissen von Dir verlangt. Dies liegt daran, dass es im Strafrecht vergleichsweise wenige Normen gibt, die für eine Prüfung in Betracht kommen. Dafür gibt es aber umso mehr Definitionen einzelner Begriffe und viele wichtige und umstrittene Theorien, die für die Falllösung relevant sind. Die Prüfer:innen erwarten von Dir, dass Du diese Theorien und Definition lernst und entsprechend schnell einordnen kannst. Daher sind die Klausuren im Strafrecht oft mit vielen möglichen Straftatbeständen gefüllt, sodass hier oft die Zeit knapp wird, wenn man zu lange nachdenken muss. Du musst daher genau überlegen, was relevant ist und was nicht. Die Lösungsskizze muss sich zwangsläufig auf ein Minimum reduzieren, weil Dir sonst wertvolle Zeit für die spätere Ausformulierung fehlt. Strafrechtsklausuren fangen recht häufig sehr ordentlich und ausführlich an, Überschriften werden gebildet und mit einem Lineal unterstrichen. Zum Schluss fehlt aber die Zeit und das Chaos bricht aus. Nicht nur im Schriftbild, sondern auch inhaltlich. Nicht selten geschieht dies gerade bei solchen Tatbeständen, die die Hauptprobleme der Klausur bergen. Man hat dann sorgfältig Unproblematisches geprüft und Problematisches – wenn überhaupt – oberflächlich. Wie sich das auf die Benotung der Klausur auswirkt, liegt sicher auf der Hand.

Für alle Rechtsgebiete gilt: Der Weg ist das Ziel

Bei einer juristischen Klausur gibt es in aller Regel nicht nur eine „richtige“ Lösung. Viel wichtiger als das Ergebnis ist der Lösungsweg. Es kommt weniger darauf an, zu welchem Ergebnis Du gelangst, als darauf, wie Du es entwickelt und begründet hast. Die goldene Regel lautet: „Der Weg ist das Ziel!“ Deshalb solltest Du Dich bei der Erstellung der Lösungsskizze nicht damit abmühen, Dein Gedächtnis nach herrschenden Meinungen zu befragen und Dich krampfhaft an bekannte Streitstände zu bestimmten juristischen Fragestellungen zu erinnern.

Wer in Rechtsprechung und Literatur welche „Theorie“ vertritt und welche sich „durchgesetzt“ hat oder zumindest von der „herrschenden Meinung“ für richtig empfunden wird, ist in der Klausur von nachrangiger Bedeutung. Darüber in der Klausur nachzugrübeln ist Zeitverschwendung. Entscheidend ist die eigene Argumentation. Sie trennt in der Benotung die Spreu vom Weizen. Die Qualität der juristischen Begründung entscheidet über die Plausibilität der Rechtsauffassung, die gestützt werden soll. Deshalb zeichnen sich gute Klausuren durch gute Begründungen aus. Gute oder zumindest vertretbare Begründungen nutzen akzeptierte Argumentationsformen der Rechtsmethodik, etwa die anerkannten Auslegungskriterien, den Analogieschluss oder andere juristische Schlüsse.

Zu beachten ist ferner, dass gute Begründungen auch Gegenargumente würdigen. Schlechte Begründungen behaupten hingegen nur, anstatt zu argumentieren, oder sie setzen Fachausdrücke als Begründungsersatz ein. Und insbesondere der Hinweis darauf, dass eine bestimmte Auffassung „herrschend“ ist, taugt nicht als Begründung für ein juristisches Ergebnis. Die schlichte Berufung auf die „h. M.“ oder ein höchstrichterliches Urteil stellt zumindest eine schlechte Begründung dar und vermag eigene, sachbezogene Argumente nicht zu ersetzen. Deshalb gilt bereits bei der Erstellung der Lösungsskizze, dass es nicht um die Erfassung von Meinungsblöcken geht, sondern um die Kennzeichnung von Tatbestandsmerkmalen einzelner für die Falllösung relevanter Normen, bei denen die Subsumtion „hakt“, also problematisch ist. Meist drehen sich Streitstände um genau solche Konstellationen. Notiere Dir in solchen Fällen am besten, bei welchem Tatbestandsmerkmal die Subsumtion schwer fällt und warum dies so ist. Dann hast Du dadurch in der Lösungsskizze sehr wahrscheinlich einen relevanten Schwerpunkt für die spätere Lösung festgelegt. Schießen Dir hierzu bereits einzelne Argumente für den einen oder anderen Lösungsweg in den Kopf, solltest Du Dir auch diese stichpunktartig notieren. Mehr aber auch nicht. Die detaillierte Subsumtion erfolgt dann später, nämlich in der ausformulierten Lösung.

Fazit: Dadurch zeichnen sich gute Klausuren aus

Gute Klausuren, die mit einer Prädikatsnote honoriert werden sollen, zeichnen sich also dadurch aus, dass sie nicht nur zutreffende Rechtsausführungen enthalten, sondern auch die Schwerpunkte richtig setzen.] Es zeugt nämlich nicht gerade von Souveränität, wenn in einer Klausur gleichmäßig alle Elemente eines offenkundig auswendig gelernten Prüfungsschemas abgespult und die wesentlichen Probleme des Falles dabei mit gleicher Intensität wie problemlose Aspekte abgehandelt werden. Das leuchtet ein.

Um sinnvolle Schwerpunkte zu setzen, musst Du solche aber erst einmal erkennen. Darin besteht das eigentliche Problem. Sich alle klausurrelevanten rechtlichen Probleme aneignen zu wollen, ist ein utopisches Ziel. Du solltest Dich besser auf Dein juristisches Handwerkszeug verlassen. Durch eine saubere Subsumtion werden Dir die Probleme des Falles schon auffallen. Immer dort, wo es bei der Subsumtion „hakt“, wo also einzelne gesetzliche Merkmale nicht genau zum Klausursachverhalt passen, wird eine mehr oder minder umfangreiche rechtliche Problematik sein. Eine solche Herangehensweise bezeichnet man als analytische Gutachtenmethode. Sinnvoll ergänzen lässt sie sich um den Gedanken, dass Gesetze nicht jeden denkbaren Fall erfassen können, sondern nur einen rechtlichen Normalfall. Führt man sich diesen Normalfall vor Augen und gelangt man zu der Erkenntnis, dass der Klausursachverhalt diesen Normalfall nicht abbildet, eine Anwendung der betreffenden Norm auf ihn aber dennoch sinnvoll erscheint, so ist auch dies ein gewichtiger Hinweis darauf, dass hier ein Schwerpunkt der Klausur liegt. Man nennt dies die „Normalfallmethode“ und meint damit, dass diskussionswürdige rechtliche Probleme dort liegen, wo einzelne Sachverhaltselemente nicht den Normalfall der gefundenen Gesetzesstellen betreffen.

Was würde meine Oma dazu sagen?

Ist die Lösungsskizze erstellt, solltest Du Dich abschließend noch einer Selbstkontrolle unterziehen. Und zwar anhand einer sehr plakativen, aber doch nützlichen Frage: „Was würde meine Oma dazu sagen?” Diese Frage ist aber nur dann sinnvoll, wenn die „Oma“ keine Juristin ist. Es gilt nämlich zu hinterfragen, ob man einem juristischen Laien das Ergebnis der eigenen juristischen Bewertung vermitteln kann, oder ob dieser das Ergebnis mit dem Satz „Das kann doch wohl nicht wahr sein!“ ablehnen würde. Ist letzteres der Fall, dann hast Du sehr wahrscheinlich einen Fehler gemacht und solltest Deine Lösungsskizze noch einmal kritisch überprüfen, ob Du nicht etwas übersehen oder vergessen hast. Ein subjektiv als falsch empfundenes Ergebnis wirst Du auch in Deiner Reinschrift nicht voller Überzeugung vertreten können. Deshalb solltest Du Dich am Ende der Erstellung Deiner Lösungsskizze einer solchen abschließenden Selbstkontrolle unterziehen. Erst wenn Du diese bestehst, ist die Lösungsskizze fertig.

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